Wie wird unsere Mobilität in Zukunft aussehen?

Fakt und nicht zu übersehen ist, dass sich unsere Mobilität verändert – aus meiner Sicht gibt es vier Trends, die sich hier teilweise gegenseitig begünstigen bzw. beschleunigen und ein neues Ökosystem entstehen lassen. Dieses beantwortet unter anderem die Frage, wem das Fahrzeug gehört und wer das Fahrzeug betreibt.

Die folgende Grafik verdeutlicht die vier Trends: 


Erstens – schrittweise Änderung

Kurzfristig wird Privateigentum weiterhin die Norm bleiben. Insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemie ist das eigene Fahrzeug mit den Werten Privatsphäre, Flexibilität, Sicherheit und Bequemlichkeit verbunden. Auch die aktuellen Fahrerassistenz-Technologien und deren Weiterentwicklung werden kurzfristig an diesem Verhalten nichts ändern.

Zweitens – Welt des Car-Sharing

Mit der Weiterentwicklung neuer Antriebstechnologien und umfassenden Fahrerassistenz-Technologien sowie dem weiteren Ausbau von Car-Sharing-Angeboten, ist mit einer steigenden Akzeptanz dieser Form der Mobilität zu rechnen. Durch die weitere Expansion von Car-Sharing-Angeboten in urbane Vororte und in spezialisierte Kundensegmente, werden private Haushalte beginnen die Anzahl der Autos, die sie besitzen, zu reduzieren.

Drittens – fahrerloses Fahren

Die Einführung von autonomen Antriebstechnologien, die sicherer, bequemer und gleichzeitig wirtschaftlich sind, führt ebenso zu einem Umdenken bezüglich der Frage des Eigentums. Sollte autonomes Fahren zu einer Commodity werden – nicht das Fahren an sich, sondern mit dem Erlebnis der digitalen Unterhaltung im Vordergrund – kann dies die Akzeptanz für Car-Sharing-Angebote weiter beschleunigen.

Viertens – mobile Unabhängigkeit

Die neue mobile Unabhängigkeit ist eine Konvergenz der beiden Trends aus Car-Sharing und fahrerlosem Fahren. Mobilitätsunternehmen und Flottenbetreiber bieten eine Reihe von Dienstleistungen an, um unterschiedlichsten Bedürfnissen zu differenzierten Preisen gerecht zu werden. Das startet im urbanen Umfeld, dehnt sich auf Vororte aus und wird langfristig auch in ländlichen Gebieten ankommen.
 

So könnte die zukünftige Mobilität aussehen

Bike, Bahn oder Auto? Alle!

1, Basierend auf seinen Präferenzen steht Tom eine große Auswahl an unterschiedlichen Mobilitäts-Dienstleistungen zur Verfügung. Eine App schlägt ihm die Route vor, die am besten zu seinen Ansprüchen passt. Diese weiß, dass er nicht gerne zu Fuß geht, wenn es spät am Abend ist. Die App weiß aber auch, dass sein Kühlschrank zuhause ziemlich leer ist und schlägt ihm deshalb die drittschnellste Option vor, um noch ein paar Lebensmittel einkaufen zu können. Sie empfiehlt ebenfalls, die Lebensmittel an den Bahnhof liefern zu lassen, um von dort aus, mit einem autonomen Car-Sharing nach Hause zu fahren.

2, Tom erhält einen einzigen Tarif für die gesamte Route sowie Angaben zu den Kosten der einzelnen Segmente. Er benutzt ein Pay-per-Mile-System, mit dem er sich nahtlos durch die einzelnen Angebote bewegen kann. Unmittelbar nachdem er seine Route festgelegt hat, erhält Tom ein elektronisches Ticket auf sein Handy.

3, Direkt vor dem Gebäude checkt Tom sein Handy, um eines der verfügbaren Fahrräder zu entsperren. Als sportlicher junger Mann nutzt er gerne die Möglichkeit, sich zu bewegen. Ein spezieller Radweg garantiert ihm ein schnelles und sicheres Vorkommen. Schließlich begibt er sich zur zweiten Etappe: dem Bahnhof.

4, Nach einer reibungslosen Fahrt parkt Tom das Fahrrad am Bahnhof. Sein Smartphone sendet ein elektronisches Signal, das ihm ermöglicht, das Fahrrad abzuschließen und ihm außerdem den Zugang zum Zug gewährt. Bevor er in den Zug steigt, nimmt er noch schnell die Lebensmittel mit, die er vorab bestellt und an ein Schließfach liefern lassen hat.

5, Nach einer 30-minütigen Fahrt steigt Tom aus dem Zug aus und setzt seine Route fort.

6, Tom nimmt seine Einkäufe und nutzt seine App, um das autonome Car-Sharing zu aktivieren, welches bereits am Ausgang des Bahnhofs auf ihn wartet. Die Fahrt ist kurz, aber er schafft es noch, die Highlights des Spiels seiner Fußballmannschaft im Auto zu genießen, bevor er zuhause ankommt.

Die Wette auf die Zukunft der Mobilität hat begonnen – was braucht es, um diese zu realisieren?

In-Vehikel Transit Erlebnis

Das Erlebnis bzw. die Unterhaltung im Auto wird zunehmend ein Merkmal der zukünftigen Mobilität sein. Allein in den USA verbringt jeder Autofahrer im Durchschnitt 46 Minuten pro Person, pro Tag im Auto. Mit einer autonom fahrenden Flotte ergibt dies völlig neue Chancen für Unternehmen, dem Fahrer als Passagier neue Angebote zur Unterhaltung bereitzustellen. Diese können sich dann für verschiedene Option entscheiden. Ob sie entspannen oder produktiv arbeiten wollen oder ob sie unterhalten werden möchten. Tom entscheidet sich, wie das obige Beispiel zeigt, für die Zusammenfassung des Fußballspiels. Netflix und Volvo arbeiten beispielsweise derzeit an diesem Trend.

Mobilitäts-Aggregatoren

Mobilitäts-Aggregatoren werden sich darum kümmern, dem Endverbraucher ein nahtloses Mobilitätserlebnis zu ermöglichen. Sie garantieren einen einfachen Zugang zu unterschiedlichen Formen der Mobilität (Zum Beispiel Fahrrad, Scooter, Bahn, U-Bahn oder Car-Sharing). Darüber hinaus bieten sie einen reibungslosen Zahlungsverkehr, berücksichtigen bei der Auswahl der Fahrzeuge und der Route Kundenpräferenzen und Verkehrsdaten und garantieren den Kunden so die bequemste und kostengünstigste Mobilitäts-Lösung. Diese Aggregatoren sind zentrale Ansprechpartner für den Kunden. Sie können rein virtueller Dienstleister sein oder selbst Teile der Mobilitäts-Lösungen physisch anbieten. Der Aggregator muss jedoch große Mengen an Daten sammeln, um maßgeschneiderte Routen-Vorschläge erstellen zu können. Diese beinhalten unten anderem die Kundenpräferenz, aktuelle Verkehrsinformationen, Fahrpläne, Reisezeiten, CO2-Emissionen der unterschiedlichen Fahrzeuge – auf Basis dessen lassen sich intelligente Routen-Vorschläge erstellen. Um dies leisten zu können, nimmt künstliche Intelligenz einen wichtigen Stellenwert ein, denn um Benutzer-Präferenzen in Reise-Empfehlungen umwandeln zu können, ist die Auswertung der Umgebungsdaten in Echtzeit sowie die Simulation der Verkehrsentwicklung notwendig. Die Grundlage dafür sind Predictive Analytics. Ebenfalls essenziell sind die Kundenbindung sowie die Pflege der Kundenbeziehungen, denn nur so kann ein nahtloses Mobilitätserlebnis ermöglicht werden. Ebendiese Kundenbindungsprogramme werden hier an Bedeutung gewinnen.

Flotten-Management

Flottenbetreiber werden zukünftig eine zentrale Rolle in der neuen Welt der Mobilität spielen. Mit dem Einsatz von autonomen Autos, wird der Stellenwert des eigenen Fahrzeugs, insbesondere in den Großstädten, weiter zurückgedrängt und die Akzeptanz für Carsharing signifikant steigen. Flottenbetreiber, wie beispielsweise Share-Now, werden Fahrzeuge, die die jeweiligen Bedürfnisse der Kunden erfüllen zur Verfügung stellen, deren Wartung übernehmen, den Bedarf und das Angebot optimieren sowie das Mobilitätsverhalten der Kunden auswerten. Somit sind die Flottenanbieter diejenigen, die zukünftig über ein gewaltiges Datenvolumen verfügen. Diese Daten ermöglichen die Optimierung der autonomen Flotte, aber auch die Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Neben der Fahrzeugbeschaffung, dem operativen Betrieb und der Echtzeitüberwachung der Fahrzeuge, sind die Optimierung der Fahrzeugverfügbarkeit sowie die Nutzung weitere zentrale Elemente, welche durch die autonome Flotte zukünftig erleichtert werden.

Wer organisiert die Infrastruktur?

Wenn die zukünftige Mobilität so aussieht und Tom in dieser Weise vom Office nach Hause pendeln möchte, wie oben beschrieben, bleibt eine Frage allerdings bisher unbeantwortet: Wer oder was organisiert diese Infrastruktur? Haben wir demnächst eine Vielzahl von autonomen Flotten, die alle mehr oder weniger ungesteuert herumfahren oder gibt es eine Ordnungsfunktion? Der Blick zur Telekommunikation kann hier hilfreich sein. Dort gibt es Lizenzen für den Betrieb von Mobilfunknetzen. Wäre dies ein Weg, um die autonom fahrenden Autos in Zukunft zu ordnen? Ein Lizenzmodell hätte weitreichende Konsequenzen für die Mobilität der Zukunft. Der Betreiber der autonomen Flotte könnte analog zur Telekommunikation über den Einsatz der Technologien und über die eingesetzten autonomen Fahrzeuge entscheiden. Dies hätte zur Folge, dass sich die Anzahl der Angebote analog zu Smartphones auf wenige, aus Sicht des Kunden, attraktive Fahrzeuge bzw. Hersteller konzentrieren würde. Dies wiederum hätte einen Konsolidierungsprozess bei den OEMs zur Folge.

Eines ist sicher: Die Wette auf die Zukunft der Mobilität hat begonnen.